Unser Lagerplatz am Rhein (29.10.2020)
Im Juni 1981 sind unsere Nachbarn aus der Wohnung über uns ausgezogen, wurde auch Zeit, mit denen hatten wir kein gutes Verhältnis. Im Dezember des selben Jahres zog eine Familie aus Spanien in die freie Wohnung, die Eltern sprachen nur ganz wenig Deutsch, aber die beiden Mädchen Alicia (8) und Alejandra (13) recht gut, so dass wir uns prima verständigen konnten.

Die beiden waren echt nett und wir freundeten uns schnell an.

Ich, damals 10, glaube es war am Tag nach Heiligabend 1981, als Alejandra und ich am Rhein nahe unserer Wohnung umher streiften, und nach brauchbaren Treibgut für unser Lager suchten. Es war kalt, mit Schneeregen, wirklich kein Tag zum Baden, und wir wollten eigentlich trocken bleiben. Aber als wir etwa 200 Meter Stromaufwärts von unserem Lagerplatz eine alte Badewanne entdeckten, kam alles mal wieder ganz anders. „Super, die muss zu uns ins Lager!“ sagte ich. Alejandra nickte. Wir versuchten die Wanne zu ziehen, aber sie war für die lange Strecke viel zu schwer zum Ziehen. „Wenn die Wanne im Wasser ist, ist sie leichter.“ sagte Alejandra. „Da sind 2 Bretter, damit können wir Paddeln.“ sagte ich. Wir nahmen die Bretter mit, und brachten die Wanne ins Hüft tiefe Wasser, das war echt kalt, die Beine und Knie taten weh vor Kälte.

Als wir versuchten in die Wanne zu steigen, kenterten wir und vielen komplett ins eiskalte Wasser. Nach einer kurzen Pause unternahmen wir einen 2. Versuch, der dann auch gelang. Kurz darauf wurden wir von den Wellen eines vorbei fahrenden Frachtschiffes wieder gekentert, ich konnte nicht mehr stehen und schwamm mit letzter Kraft ins flachere Wasser. Alejandra, die gerade noch stehen konnte, schaffte es sogar die Wanne zu retten. Wir beschlossen die Wanne bis zum Lager durch das flache Wasser zu treiben. Am Lagerplatz angekommen halfen uns Sonja und Alicia die Wanne wieder an Land zu bekommen, die 2 Verrückten waren auch komplett nass, sie haben eine alte Bettmatratze gefunden und damit im Wasser Flößer gespielt.

Völlig durchgefroren, gingen wir Heim, es waren Gott sei Dank nur wenige Meter. Die Mama von Alicia und Alejandra hatte zufällig den Badeofen für sich eingeheizt, und so konnten wir dort, statt ihr, ein heißes Bad nehmen. Wir setzten uns alle 4 voll angezogen in die Wanne, wir haben sogar noch unsere Schuhe bzw. Winterstiefel an behalten. Als die Mama von Alicia und Alejandra noch mal ins Bad kam, um uns Handtücher zu bringen musste sie lachen und sagte: „chicas loca.“

Ein paar Tage später, Anfang Januar 1982, waren wir wieder an unserem Lagerplatz am Rhein, unser Bruder Peter (11) war auch dabei, Alejandra und Alicia sowieso. Es war deutlich wärmer als vor ein paar Tagen mit Temperaturen über 10 Grad, und heute wollten wir unbedingt mit dem Kettcar, das wir vor kurzem auf dem Sperrmüll gefunden hatten, über die nahegelegene Nato Rampe ins Wasser fahren. Und dann hatte Peter noch eine Idee; man kann ein Loch graben, die Wanne darauf zu stellen, mit Wasser füllen und unter der Wanne ein Feuer machen. „Dann können wir uns im warmen Wasser aufwärmen wenn uns kalt ist!“ sagte er. Das fanden wir auch ganz toll, und machten uns sofort an die Arbeit. Alicia rannte noch mal nach Hause um Schaumbad zu holen. Wir machten Feuer unter der Wanne und warteten ab was passiert, nach einer Weile wurde das Wasser in der Wanne tatsächlich warm, mit dem Wissen ein warmes Bad zu haben fuhr ich als Erste mit dem Kettcar die Rampe runter ins Wasser, und nach dem ich das Kettcar wieder aus dem tiefen Wasser geborgen hatte, setzte ich mich mit allen Kleidern einfach ins warme Bad, als nächstes fuhr Alicia ins Wasser und kam anschließend zu mir in die Wanne, dann war Sonja dran und kam danach auch in die Wanne, ich verließ die Wanne wieder um noch mal zu fahren.

So ging es weiter bis das jeder etwa 5 oder 6 mal ins Wasser gefahren ist, dann war die Wanne wieder kalt, weil darunter das Feuer aus gegangen ist. Während wir unseren Spaß hatten, kam jemand von der Lokalzeitung und stellte fragen wie; Ist euch nicht zu kalt? Was sagen eure Eltern wenn ihr Heim kommt? Werdet ihr nicht Krank? Danach machte er noch Fotos von uns im Wasser. Ein paar Tage später war ein Bericht mit 2 Fotos in der Zeitung, auf einem Bild war ich, mit allen Kleidern in der Wanne und auf dem anderen waren Peter und Alejandra zu sehen, wie sie gerade triefend nass aus dem Rhein kamen. In dem Artikel ging es um die Zustände in unserem Stadtteil, und darum wie verwahrlost wir Kinder hier angeblich waren.

Die Fotos aus der Zeitung haben wir, mit Stolz, an der Wand in unserem Zimmer aufgehangen. 

  

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