Onkel Günther
(19.02.2021)
Es war Sonntag, Anfang November 1982, der
letzte Tag in den Herbstferien. Unser Bruder Peter(12), meine Zwillingsschwester Sonja (11) und ich standen um das Feuer an unserem Platz am Rheinstrand, und versuchten unsere nassen Kleider etwas an zu wärmen, weil wir gerade mit einem alten LKW-Schlauch im Wasser waren. Es war ein regnerischer Tag und wir waren mit vollen Winterklamotten im Wasser. Da ging auf dem Leinpfad (Rheinuferweg) unsere Freundin Sabine(11) mit ihrer Mutter vorbei, Sabine hielt kurz an, und winkte uns heimlich, ihre Mutter bemerkte es und zog sie an der Hand weiter. Die ärmste, dachte ich mir, wäre jetzt sicher lieber bei uns. Kurz darauf hielten 2 Mädchen mit ihren Fahrrädern auf dem Weg, bei unserem Lager. "Boah guck mal, das sind die, die eben geschwommen sind!“ sagte die ältere. Die beiden kamen zu uns ans Feuer, da sahen wir, dass auch sie bis zu den Knien nass waren. "Wer seid ihr denn? Wir haben euch noch nie hier gesehen.“ fragte Sonja. Die 2 stellten sich vor, sie hießen Jutta (12) und Clara (8). Sie waren über das Wochenende zu Besuch bei ihrem Onkel, der letzte Woche wegen seiner neuen Stelle in die Stadt gezogen ist. „Meinst du wir dürfen auch ganz ins Wasser, Jutta?“ fragte Clara ihre Schwester. „Wir gehen einfach rein, wenn wir ganz nass sind kann Onkel Günther das auch nicht mehr ändern!“ sagte Jutta. „Das gibt sicher riesen- Ärger, ihr habt doch voll die guten Sonntagssachen an.“ sagte ich. Aber die beiden rannten schon ins Wasser. "Wollen wir denen etwa zugucken?“ Fragte Peter, und sprintete ihnen nach. Kurz darauf waren wir alle wieder im Rhein, und jetzt tauchten auch noch Alicia (9) und Alejandra (14), die in der Wohnung über uns wohnten, am Strand auf. Alejandra hatte nur eine kurz abgeschnittene Jeans, T-Shirt und Turnschuhe ohne Socken an. Alicia hatte Gummistiefel, Kniestrümpfe, ein altes Kleid und eine Winterjacke an, die beiden hatten eine Doppelluftmatratze dabei. „Wie cool, hier ist ja voll was los!“ schrie Alicia begeistert, und beide kamen sofort mit ins Wasser. Darf ich euren Reifen holen?“ fragte Jutta. „Klar, darfste.“ sagte ich. Als Jutta am Ufer den LKW-Schlauch holte, zog sie ihre nasse Jacke, und den ebenfalls klatschnassen Pullover aus, mit einem hörbaren „Platsch“ landete der Pullover auf dem Kiesstrand. Nur noch mit Schuhen, Strumpfhose, Rock und Langarm Poloshirt bekleidet kam sie wieder ins Wasser. Am Ufer stand plötzlich ein Mann mit Anzug und Krawatte. „ Ist das euer Onkel?“ fragte ich Clara. „Ja“ antwortete sie. „Der sieht aber streng aus, ich glaube jetzt gibt es richtig Ärger für euch.“ Juttas und Claras Onkel ging zur Feuerstelle, zog sich dort seine Schuhe und Socken aus, krempelte sich die Hose bis über die Knie hoch, und kam ein Stück zu uns ins Wasser. "Ist ganz schön kalt der Rhein. Aber hier ist ja ein Betrieb, wie im Sommer auf Mallorca“ sagte er, ging aus dem Wasser und zog sich wieder seine Sachen an. „Euer Onkel ist ja gar nicht so streng wie er aussieht.“ sagte ich zu Clara. Alle sagen Onkel Günther sieht voll streng aus, ist er aber nicht.“ entgegnete sie. Der Onkel legte noch mal richtig viel Holz auf das Feuer, was eine echt gute Idee war, denn als wir aus dem Wasser kamen war uns ganz schön kalt. Alejandra war immer noch im Wasser, die konnte kein Ende finden, und spürte scheinbar keine Kälte mehr. Erst als sie völlig durchgefroren war kam sie mit letzter Kraft aus dem Wasser, zu uns ans Feuer. Sonja und ich mussten Alejandra festhalten, damit sie nicht umfällt vor lauter Zittern. Ihr Gesicht und ihre Hände waren total blau. Bringt eure Freundin ins Warme, schnell, Jutta, du und Clara ihr könnt so nass unmöglich mit den Fahrrädern fahren, wartet hier am Feuer, ich hole euch mit dem Auto ab. "Und ihr? Wie weit ist euer Heimweg?“ Fragte uns der Onkel der beiden Mädchen. "GGGGleich ddddddda kkeine 50 MMMeter, ddddda wwwwohnen wirrrr aaaaallelelelele.“ stotterte Alexandra weil sie so bibberte und versuchte zitternd auf das Haus zu zeigen in dem wir wohnten . Ich hörte wie Claras und Juttas Onkel ganz leise sagte: „Oh mein Gott, die Ruine ist tatsächlich noch bewohnt.“ Jutta und Clara können auch mit zu uns kommen, dann können sie sich aufwärmen, und sie bekommen von Sonja und mir trockene Sachen .“ sagte ich. "Na gut, kommt in 3 Stunden, also um18Uhr, zurück, dann fahre ich euch wieder nach Hause. "Aber geht euch jetzt schnell aufwärmen“ sagte der Onkel zu Klara und Jutta und machte sich auf den Weg. Zu unsere Überraschung holte Jutta, als ihr Onkel weg war, eine fast volle Packung Zigaretten aus ihrer Fahrradtasche und verteilte an alle. Klitschnass und jeder mit einer Zigarette in der Hand gingen wir auf dem Uferweg nach Hause, da begegnete uns wieder Sabine und ihre Mutter. "Eure Eltern sollten sich schämen, können die nicht auf euch aufpassen?“ schimpfte Sabis Mutter. Sabine war der Auftritt ihrer Mutter mal wieder voll peinlich. Am nächsten Morgen saßen wir wieder in der Schule, Sonja, Sabine und ich, in einer Bankreihe. Es ist die 2. Stunde, es klopft an der Klassentür, unser Lehrer sagt: „Herein“ Die Tür geht auf und „Onkel Günther“ steht im Klassenzimmer, er stellt sich mit einer kurzen Rede als der neue Schuldirektor vor. Verdammt, sieht der streng aus.“ rutschte es Sabine viel zu laut raus. „Wärst du gestern mit uns am Rhein gewesen, wüsstest du das Onkel Günther voll in Ordnung ist.“ sagte Sonja genauso laut. "Danke für das Kompliment Sonja, aber in der Schule bin ich Herr B....“ Zu spät, Herr B.... hatte jetzt seinen Spitznamen. |