Im Graben ohne Pferd
(von Lenny, 16)
(02.02.2025)
Moin Laura, wir kennen uns aus der Reha.
Leider meldest du dich nicht mehr bei mir. Okay, ich war damals nicht so
ganz fair zu dir, aber heute hätten wir mächtig Spaß zusammen, glaub
ich. Deine Seite hast mir ja mal aufgeschrieben und so versuch ich jetzt
mal wieder mit dir in Kontakt zu treten. [...] Seit dem ich eine Beinprothese habe, wie Du, bin ich zum Reiten gekommen. Erst machte ich nur den Stall sauber, aber irgendwie wollte das Pferd, dessen Namen ich nicht nennen will, immer mit mir spielen. Er ging immer mit dem Kopf unter mein Arm und wollte das ich ihn weiter Striegel und so. Auch die Besitzerin merkte es und meinte irgendwann, dass ich ihn Reiten könnte. "Ach nee, hatte Unfall, mit Prothese geht das doch nicht!" und so sagte ich, aber sie ließ nicht locker. Sie half mir Anfangs und jetzt kann ich schon alleine mit ihm Ausreiten. Heute war ich zum ersten mal mit ihm alleine unterwegs und hatte viel Spaß. An einem Graben stoppte er und wollte nicht weiter. Ich redete leise auf ihn ein, dass er es schafft, aber er blieb stehen. Ich stieg ab und ging mit Reiterhose und Stiefel in den Graben und zeigte ihm, dass es geht und nicht so tief ist. Er blieb trotzdem stehen und dann bin ich weiter rein. Der Graben war so ungefähr drei oder vier Meter breit. Meine Steppjacke wurde nass und dann stand ich plötzlich bis zur Brust im Scheiß kalten Wasser und lachte. Ich stand vorher noch nie mit Prothese im Wasser, aber ich muss sagen, dass es mir gefällt. Du schreibst immer, dass sich das Wasser langsam um den Stumpf legt und so, das stimmt muss ich sagen. Fühlt sich etwas komisch an, wenn man dann damit im Wasser läuft, aber es geht. Mein Pferd wieherte und stampfte auf allen vieren. Ich beruhigte ihn aus dem Wasser aus und krabbelte raus. Er stupste mich an und wollte dass ich mich auf ihn begebe. Ich schmiss mich auch wieder in den Sattel und er galoppierte zurück zum Hof. Als ich mit mein nassen Sachen durch den Stall rannte, lachte die Besitzerin und fragte, ob er mich ins Wasser geschleudert hat. "Nee, er wollte nicht rein!" sagte ich und sie lachte noch mehr. Zum Glück hab ich in einem Schrank im Stall, trockene Sachen. Die hab ich da, weil ich meist sehr dreckig aus dem Stall komme, wenn ich mit der Arbeit fertig bin und nicht mit den dreckigen Sachen durch die Gegend will. Auf dem Weg nach Hause tat mir allerdings der Stumpf weh. Zuhause angekommen, zog ich mir die Prothese aus und sah warum. Im Schacht war noch Wasser und der Strumpf war ja auch völlig durchweicht. So hatte ich schrumpelige Haut bekommen und auch Blasen. Alles war rot und Wund. Mama meckerte auch gleich mit mir, dass ich sowas nicht nochmal machen soll. [...] Gruß Lenny |