Mit Wiebke auf Spazierfahrt

(27.06.2023)
Nach der Schule gab es nichts zu tun und so bin ich (Laura, 14) mit meiner Tochter Wiebke (3 Monate) etwas spazieren gegangen. Da es regnen sollte, nahm ich mir meine rote dünne Regenjacke mit und falls es dann kälter werden sollte, noch ein dünnen Pulli. Für meine Lüdde nahm ich noch zusätzlich eine dünne Decke mit und ein Fläschchen Milch, falls ich es draußen nicht so öffentlich an der Brust machen kann.

Auch wenn ich eigentlich schon durch alle Wege in unserer Umgebung gewesen bin, versuchte ich was neues zu finden. Irgendwo im Feld, es regnete leicht, fand ich auch ein Weg in dem ich noch nie war, zumindest kam er mir nicht bekannt vor. Ich bog rein und fand ein umgestürzten Baum, der den Weg versperrte. "Naja, dann machen wir Halt ne Pause!" sagte ich leise vor mir her und setzte mich auf den Baum. Wiebke war am pennen, also rauchte ich genüsslich eine und guckte aufs Feld, wo Kühe standen. Es regnete noch, aber ich saß im trockenen, wie auch meine Lüdde. Kurz schrieb ich noch meiner Vanessa (15) wo ich bin und guckte dann, ob ich den Kinderwagen über den Baum hinweg kriege, um dahinter weiter zu kommen. "Hm!" und Hm?" sagte ich immer wieder und dann fand ich ein Weg es zu tun. Als ich den Kinderwagen in Gang setzte, wurde sie wach und grinste mich an. "Oh, meine süße wach geworden?" fragte ich und sie grinste weiter. "Na dann komm mal her!" sagte ich noch und nahm sie raus. Ich zeigte ihr die Gegend und dann fing sie an zu brüllen. "Na, so schlecht ist das hier auch wieder nicht!" lachte ich und setzte mich wieder auf den Baumstamm. Da noch keine Essenszeit war, schaukelte ich sie ein wenig und dann klingelte jemand mit dem Fahrrad.

"Hä, wer ist das denn jetzt?" fragte ich mich und guckte mich um. Ich saß mit dem Rücken zum Weg von dem ich kam. Ich sah niemanden und hörte auch nichts mehr. Da ich nach ein paar Minuten nichts hörte oder sah, legte ich Wiebke wieder in den Wagen und versuchte sie über den Stamm zu kriegen. War nicht gerade leicht, aber ich schaffte es. Danach lief ich weiter und kam irgendwie wieder zur Hauptstraße, wo ich eigentlich nicht hin wollte. "Naja, dann halt hier weiter, egal!" knurrte ich und schob den Wagen auf dem Fuß und Radweg weiter. "Oh, fährst du dein Geschwisterchen spazieren?" fragte mich da eine Frau an der Haltestelle und ich überlegte kurz, ob es bei einem Jungen Gebrüderchen heißt. "Ähm nö, meine Tochter!" stotterte ich halb und die so: "Was?" Dann fing die an mir zu erzählen, wie es damals war und das es sowas zu ihrer Zeit nicht gab und so. Ich hörte ihr zu und sah auf meine Uhr. "Ja ja renn nur weg, ihr jungen habt auch nie Zeit für uns!" meckerte sie plötzlich. "Das stimmt ja nun auch wieder nicht!" sagte ich und guckte die Frau etwas Böse an. Weil der Bus dann kam, sagte sie nichts mehr und ich schob weiter.

Es regnete wieder und diesmal musste ich doch meine Regenjacke anziehen und das Verdeck vom Wagen runterziehen. Wiebke griff immer irgendwas in der Luft oder versuchte es zumindest. Sah schon etwas lustig aus und ich grinste immer wieder. Dann schoss ich auf die andere Seite der Straße und ging dort den Weg zur Weser rein. An der Weser kamen mir einige Radfahrer entgegen und ein paar überholten mich auch und Spaziergänger guckten mich komisch an. Auf einer Bank setzte ich mich und dann kam dieser Mann, von vor keine Ahnung wie langer Zeit vorbei, und quatschte mich auf Plattdeutsch voll. Etwas später kam auch seine Frau und wir unterhielten uns eine ganze Weile. Da es die ganze Zeit regnete, hielten die beiden mir ständig ihren Regenschirm hin, den ich gar nicht haben wollte. Irgendwann verabschiedeten sich die beiden und ich lief mit meiner Lüdden weiter an der Weser entlang. "Boah, wo willst du denn ganz hin?" fragte mich Jan (16) plötzlich neben mir, auf dem Fahrrad. "Hey, wo kommst du denn her?" fragte ich und er so: "Warte doch mal, bleib stehen!" Ich: "Was denn?" und schob weiter. "Bitte Laura!" Ich: "Wofür, hab nichts bekommen?" "Ach Menno!" kam von ihm und blieb stehen. Ich schob an der nächsten Bank vorbei und er setzte sich drauf. Nach einige geschätzten hundert Metern, drehte ich mich zu ihm um und er saß da noch immer und guckte in meine Richtung. Er hatte mir gesagt, dass er mehr Zeit für seine Jungs braucht und wegen Ausbildung, Schule, VW-Käfer und so, auch keine Zeit für uns hat. Das reichte mir und machte Schluss mit ihm, vor knapp zwei Wochen. Ich hab mich auch nicht mehr bei ihm gemeldet und so.

Zur nächsten Brücke war es noch weit und ich hatte auch keine Lust mehr, also ging ich wieder zurück. Als ich an Jan vorbei kam, guckte er mich traurig an, aber sagte nichts. Ich kümmerte mich um Wiebke, weil sie auch weinte und schob dabei weiter. Beim schieben hab ich nicht so richtig auf den Weg geachtet und stand plötzlich in der Nähe unserer Fähre. "Ach Scheiße, zu weit!" knurrte ich und schob wieder zurück. Der Regen machte mich irgendwie verrückt, weil meine Brille immer wieder übersät von Tropfen war und meine Regenjacke wieder dicht an meiner Haut klebte. Irgendwie wurde mir in der Jacke auch warm. Wiebke hörte auch nicht auf zu weinen und ich setzte mich wieder auf eine Bank. Da nahm ich sie auf den Schoß, legte ihr einen Regenschirm an die Seite und fütterte sie. Mein Prothesenbein wurde immer nasser vom Regen, weil dort der Regenschirm nicht hinkam. Das Wasser rutschte durch die dünne Sporthose in meine Prothese und kitzelte mich etwas am Stumpf. Weil ich den Stumpf dann immer wieder bewegte, weil es kitzelte, fragte mich jemand, ob ich müsste. "Nein!" lachte ich. "Mach ich nur wegen der Lüdden!" grinste ich weiter und er verschwand. Dann kam Jan angefahren und bremste scharf, weil er mich nicht sofort erkannt hatte. "Jetzt reicht es mir aber, ich Liebe dich Laura!" Ich: "Kann sein, ich dich aber nicht!" Da stand er da, drehte sein Kopf und guckte mich sehr traurig an. "Mensch, du musst mich doch auch mal verstehen!" kam etwas später von ihm und ich rastete aus.

Nachdem wir uns fast eine halbe Stunde angemeckert und gegenseitig Vorwürfe gemacht hatten, trennten wir uns wieder und jeder ging in seine Richtung. Andere Leute guckten uns auch schon komisch an. Weil ich irgendwie keine Lust mehr hatte weiter zu laufen, ging ich zur Fähre zurück und nahm den Bus. Der fuhr zwar nicht wirklich an uns vorbei, aber in die Nähe. Zuhause angekommen, fragte Mama mich, ob ich Jan gesehen hab. "Joa!" sagte ich und setzte mich aufs Sofa. "Und?" fragte sie mich. "Was und? Wir sind nicht mehr zusammen!" sagte ich und nahm ein Stück vom Kuchen. Mama Claudia: "Wie jetzt?" Ich: "Was ist da dran schwer zu verstehen?" Beide quetschten mich dann aus und fanden dann auch, dass ich ihn zappeln lassen soll. Anfangs war er so ein lieber Mensch gewesen und jetzt wird er immer blöder und verrückter. Kann mir einfach nicht mehr Vorstellen mit ihm mein ganzes Leben zu verbringen.

 

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