Überraschungsbesuch (12.11.2021)
Freitag spätnachmittag klingelte es an meiner Tür. Davor stand ein großgewachsener Teenager, stark geschminkt, schwarze Haare, schwarze Lederjacke, schwarzes Totenkopfshirt, schwarze ultrakurze Jeans-Hotpant, Netzstrumpfhose, hohe Lederstiefel. Wie vom Straßenstrich, dachte ich bei dem Anblick. Erst wollte ich gar nicht aufmachen, aber dann erkannte ich meine Cousine Josi (14), die ich seit der Hochzeit ihrer Mutter nicht mehr gesehen hatte.

"Was machst du denn hier?" begrüßte ich sie kühl und ließ sie ein. Sie heulte sofort los. Bei einer Zigarette erzählte sie mir, was los war und warum sie von zuhause wegmusste. Mein Pflegekind Hannah (9) schaute kurz ins Wohnzimmer und verabschiedete sich dann in Richtung Badewanne, in Leggins und T-Shirt. "Das ist also Hannah!" meinte Josi so, sie hatte über meine Tante von meiner Situation erfahren. Und so unterhielten wir uns noch lange über die Ereignisse der letzten Monate. Dann musste Josi mal auf Klo und schaute ob Hannah das Bad abgeschlossen hatte oder ob sie mal rein konnte. Ich nutzte die Zeit und bestellte Pizza für alle zum Abendessen und schrieb den Mann meiner Tante an, das Josi hier sei und dass es ihr gut gehe und was denn los sei. Mit ihm kann man besser reden als mit Josis Mum, die ist genauso schwierig wie ihre Schwester, meine Mum, zu der ich seit ich 18 bin keinen Kontakt mehr habe und auch nicht mehr haben will. Josis Stiefdad sagte zu, mit Josi sprechen und sie am nächsten Morgen abholen zu wollen. Er war auch nicht ganz unschuldig am Konflikt mit Josis Mum.

Josi kam ewig nicht wieder, inzwischen wurde sogar schon die Pizza geliefert. Ich schaute ins Bad und freute mich: Josi saß, wie sie war mit Jacke, Stiefel und allem bei Hannah in der Wanne, Hannah kniete hinter ihr und schäumte ihr gerade die Haare ein. Ohne Schminke und auftupiertes Haar sah Josi wieder fast wie das glückliche Mädchen aus, das vor zwei Jahren hier zum ersten Mal mit Klamotten in meiner Badewanne gesessen hatte. Hannah und Josi verstanden sich offenbar blendend.

Josis Lederjacke glänzte schön unter dem ganzen Schaum und ihre Stiefel ragten zum Teil aus dem trüben Wasser. Wir aßen im Bad jeder seine Pizza (und Hannah noch eine halbe von mir), dann wusch sich Hannah und ich bat sie, Josi und mich noch ein wenig allein reden zu lassen. Ich half ihr aus den nassen Sachen, rubbelte ihre Haare trocken und sie ging im Bademantel raus in ihr Zimmer.

Josi hatte sich solange in der Wanne langgemacht und als Hannah weg war, stieg ich zu ihr. Ich schäumte sie und ihre Jacke nochmal ein und wusch ihr Haar mit Spülung und wir redeten über sie und ihren Stiefdad und ihre Mum. Sie akzeptierte es schließlich, am nächsten morgen abgeholt zu werden.

Irgendwann wuschen wir uns noch und setzten unsere Unterhaltung nur in Handtücher gewickelt im Wohnzimmer fort. Hannah kam dann noch dazu und wir schauten einen Film. "Alles steht Kopf", Josis Lieblingsfilm aus Kindertagen, irgendwie passend zu Josis Situation.

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