Ein Schulranzen an der Tankstelle (26.04.2020)

und Sophie spielt Gitarre im Rolli im Pool

Im neuen Haus hatten wir keine Lust mehr. Es war uns auch zu langweilig geworden, so ganz ohne Kinder. Bis zu den Sommerferien haben wir auch noch genügend Zeit was zu tun. Und außerdem haben wir auch genügend Helfer in der Verwandtschaft. Wir packten also unsere Sieben Sachen und fuhren zurück nach Hannover. Auf dem Weg machte wir noch ein kleinen Stopp an einer Tankstelle. Der Wagen meiner Mutter brauchte was zu trinken, damit er weiter fahren kann. Meine Mutter ist ja mit dem VW-Bus und den Kindern zurück gefahren. Während Claudia den Wagen betankte, guckte ich so nach draußen, was da so alles passiert. Viel los war nicht wirklich.

Aber dann sah ich ein Wagen an uns vorbeifahren, der auf dem Parkplatz nebenan etwas an Müll weg warf. Bei einem Teil musste ich mehrfach hinsehen und glaubte es nicht. Er warf ein Schulranzen weg, den er im Kofferraum fand. Das fand ich doch schon etwas komisch. Claudia war endlich fertig und setzte sich nach Bezahlung des Sprits wieder ins Auto. Kaum hatte sie die Tür zu, da fuhr ich auch schon los. "Wow, was hast du es so Eilig?" fragte sie mich und schnallte sich an. Zugegeben, etwas schnell war ich schon, aber ich wollte noch den Mann erreichen, der gerade den Schulranzen weg warf.

Kurze Zeit später kamen wir auch bei ihm an. Ich stellte den Wagen gleich neben sein und stieg aus. Der Mann kramte noch an seinem Kofferraum und ich sprach ihn an. Wir beide hatten auch eine Maske dabei auf und hielten den Abstand ein. Ich unterhielt mich kurz mit ihm und dann sagte er mir, das es der Schulranzen aus seiner Kindheit gewesen ist. Warum er den überhaupt noch bei sich hatte wusste er nicht. Er war auch überrascht, das er ihn im Kofferraum hatte. Da er keine Verwendung mehr für hat, hat er ihn weggeworfen. Als ich fragte ob ich ihn mir nehmen dürfe, lachte er freundlich und sagte: "Wenn Sie ihn gebrauchen können, bitte! Er gehört Ihnen!"

Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen und ging zum Müllbehälter. Der Schulranzen stand da neben. Es war ein gelber, der aussah wie ein alter Scout, es stand aber Trapper drauf. Alt war er wirklich, das sah man an den Gurten. Ich fand ihn geil und setzte ihn auch gleich auf. So ging ich auch an dem Fahrer vorbei in mein Wagen. Er guckte mir hinterher, aber das störte mich nicht. Claudia lachte, als ich mich mit Schulranzen ans Steuer setzte und losfuhr. "Willst den nicht mal absetzen?" fragte sie mich und ich tat es, nachdem ich nochmal kurz gehalten habe.

Unterwegs fragte sie mich ob ich damit gleich schwimmen gehen will und ich sagte: "Aber Hallo!" Sie lachte wieder und machte das Radio an. "Bingo!" sagte ich, weil es lief: Billie Eilish mit Bad Guy. Ich schnippte wieder mit den Finger und sang fleißig mit. Endlich wieder zuhause angekommen, da machte uns meine Schwester Sarah (21) die Tür auf. Ich guckte sie an und fragte wo Mama ist. "Die ist in Hamburg unterwegs! Wir passen die ganze Zeit auf deine Kinder auf!" antwortete sie. Ich: "Wer wir?" Sie: "Na ich und meine Gauner!" Das sagte sie so als müsste ich es wissen. Wir gingen rein und da kamen uns auch schon die Zwillinge (1,5) entgegen. "Mama, Mama!" sagten die beiden. Ich nahm sie gleich auf den Arm und knuddelte sie. Dann kamen auch Tim (5) und Lukas (9) und umarmten uns. "Wo ist denn Sophie?" fragte ich die beiden. "Die ist unten und macht Musik!" sagte Lukas und verschwand in sein Zimmer.

Kurze Zeit später kam er wieder raus und zeigte mir was er gebastelt hatte. "Wow!" sagte ich. "Und mit viel Klebstoff, die Tube hängt noch an deinem Rock!" schob ich noch hinterher. Er guckte sein Rock an und fand den Klebstift. "Ach Scheiße, da ist der! Hab mir jetzt ein von Sophie geklaut!" Ich: "Das lass sie mal hören!" Er: "Nee!" und rannte wieder nach oben. Tim wollte Milch und die Zwillinge rannten hin und her. "Bin unten!" sagte ich zu Claudia und setzte den gelben Schulranzen auf. "Ja, mach das!" lachte sie.

Schnell lief ich nach unten und lauschte der Gitarre, die Sophie (9) spielte. "Einfach wunderschön!" dachte ich mir und ging zum Pool. Sie saß mit Unterwäsche, einem Rock, einer Bluse, Lackschuhen, ihrer gelben Regenjacke (auf der große gelbe Blumen sind), ihrem roten alten Schulranzen (T66) (an dem Olaf ihr endlich mal neue Verschlüsse gemacht hatte) und ihrer Beinprothese im Rollstuhl im Wasser, eine Zigarette im Mund und spielte Gitarre. Sie sah mich erst nicht und spielte schön weiter. Dann sah sie mich und stand auf. Mit der Gitarre in der Hand lief sie auf mich zu. "Mama!" sagte sie und umarmte mich gleich. "Na, was los meine süße?" Sie: "Nichts, ich freu mich nur das ihr wieder da seid!" Sie freute sich als hätten wir uns Wochen lang nicht gesehen. Es waren gerade mal 2 Tage.

"Und was machst du jetzt hier unten?" wollt ich dann noch wissen. Sie: "Och, hier gefällt mir die Akustik so gut! Hab ein neues Lied geschrieben! Willst mal hören?" "Klar!" sagte ich und sie ging die Stufen wieder ins Wasser und spielte drauf los. "An was erinnert mich das bloß?" fragte ich vor mich hin. "Das Lied kenne ich, das habe ich schon mal gehört irgendwo!" Sie hörte es und fing voll an zu lachen. "Das hab ich geklaut! Weiß jetzt nicht wie die Gruppe heißt, aber da singen die: Willst du heute mit mir ausgehen und so!" sagte sie mir dann. Ich fand das ja genial. Super. Ich ging dann mit Unterwäsche, BH, Turnschuhen, Lederhose und einem Pulli zu ihr ins Wasser und drückte sie. Wir schwammen dann zusammen hin und her und tauchten auch ein paar mal mit unseren Schulranzen. Sie freute sich sehr, das sie jetzt bis zu den Sommerferien, wann immer sie möchte, mit ihren ganzen Schulsachen im Schulranzen schwimmen darf. Sie braucht dieses Schuljahr nicht mehr zur Schule, weil sie auch erst zurück versetzt wurde. Sie ärgert das zwar schon, weil sie so besser mitkommt in der Schule, aber wenn sie nicht mehr muss... In Bremen bekommt sie auch völlig neue Schulbücher und so.

Dann setzte sie sich in ihren Rollstuhl und ich schob sie über die Stufen raus. In der Sitzecke rauchten wir beide noch eine und dann zogen wir uns was trockenes an und gingen zu den anderen nach oben. Ganz oben war Lukas am meckern und schnauzen. Wir guckten uns alle an und zuckten die Schulter. Im Wohnzimmer nahmen wir alle Platz und tranken Kaffee und O-Saft. Dann kam Lukas plötzlich rein und sagte: "Mama, ich glaub ich werd Schwul!" Kurz lachte ich auf und fragte wer denn der glückliche sein wird. Da konnte sich Claudia wieder kaum halten und lachte laut drauf los. "Mann, Claudia ist voll blöd!" sagte Lukas und Claudia hörte von einer auf die andere Sekunde auf zu lachen. "Wie bitte?" fragte sie dann. "Ach du doch nicht! Meine Claudia mein ich! Oder auch nicht?!? Ach keine Ahnung!" sagte Lukas und lief halb heulend nach oben.

"Nee warte, ich mach das!" sagte Sophie, als ich ihm gerade hinterher wollte. Ich hob die Hände und ließ sie machen. Kaum war die Tür oben zu, da sagte Sarah zu uns das Sophie sich sehr bemüht an Lukas ranzukommen, weil er Probleme mit seiner Claudia hat. Ich grinste nur und sagte: "Aha!" Wir aßen dann weiter und unterhielten uns noch eine ganze Weile. Irgendwann ist Sarah mit ihren Kiddies nach Hause.

 

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