Rollstühle auf dem See

(08.2021)
Fragt mich jetzt nicht wann es war, eigentlich wollte ich es auch nicht aufschreiben, aber Mama meinte das ich es ruhig machen kann. Also mach ich es.

Sophie (11) und ich (Laura, 12) lagen gerade bei den Zelten auf der Wiese als sie auf eine sehr blöde Idee kam. Sie wollte ihren Rollstuhl aufs Boot stellen und sich draufsetzen und paddeln. "Sonst gehts dir aber gut, oder?" fragte ich. "Wieso, wär doch cool oder nicht?" "Ich weiß ja nicht, mach doch!" antwortete ich und drehte mich um. Sie legte sich auch wieder hin und fing an irgendwelchen Blödsinn zu reden. "Mensch, geh doch zu den anderen!" knurrte ich, weil ich meine Ruhe haben wollte. Das war da, wo ich meine Tage hatte. Keine Ahnung ob Vor oder Nachmittag, ist ja auch egal jetzt.

"Nä, die spielen irgend son Scheiß!" knurrte sie zurück und machte sich eine Zigarette an. "Gibts mir auch eine?" fragte ich. Da meinte sie so: "Nur wenn du mitmachst!" Das wollte ich aber nicht, also fragte ich nicht weiter und legte mich wieder hin. Sie hörte einfach nicht auf mich zu nerven und wollte immer das ich mir mein Rollstuhl hole. "Sophie! Nein!" meckerte ich und schmiss ihr ein Stock hin. "Menno!" meckerte sie. "Du bist gemein!" sagte sie noch etwas beleidigt und haute ab. Mich freute es, weil ich endlich Ruhe hatte.

Irgendwie war es mir aber still geworden und ich guckte mich nach einer knappen halben Stunde um. Da stand sie am See auf ihren Gehstützen und wedelte mit ihrem Stumpf hin und her. Sie versuchte immer ihre Schlotterhose in den See zu kriegen um sie nass zu machen. Ich guckte ihr eine Weile zu und dann tat sie mir irgendwie leid und ich ging zu ihr. Ohne irgendwelche Züge im Gesicht, guckte sie mich an und starrte wieder auf den See hinaus. "Ja komm, ich hol mein Rollstuhl!" sagte ich und hüpfte mit ihr in den See, um zur Hütte zu schwimmen. Wir beide hatten nur ein Badeanzug an, sonst nichts weiter außer unsere Brille und die Zahnspange.

Sie freute sich riesig darüber und schwamm mir fast davon. War ganz schön anstrengend mit nur eineinhalb Beinen zu schwimmen. Da hab ich mir echt gewünscht, das ich meine Prothese angezogen hätte. Am Steg angekommen, stiegen wir aus dem Wasser und hüpften zu den anderen. "Krank?" fragte Jan uns. "Öhm, wir haben noch nie zwei Beine gehabt?!?" sagten wir und alle lachten. "Nee, ich meinte wegen den Badeanzügen!" grinste Jan. "Ja, sehr witzig, wir waren gerade beim sonnen!" erklärte Sophie ihm. "Ich hol nur schnell mein Rollstuhl und dann bin ich wieder weg!" "Ja macht das!" kam da nur von Jan und den anderen.

Ohne Worte sind Sophie und ich in die Hütte und ich setzte mich in mein Rollstuhl. Da machte ich mir eine neue Binde rein, was auch Sophie neben mir machte. "Du hast doch gar nichts mehr!" "Nö, aber du hast ja auch eine drin!" Ich verzog nur mein Mund und rollte aus der Hütte. Sie schob mich ein wenig und wollte dann auf mein Schoß. "Och nö, wie soll ich das denn machen?" meckerte ich. Wir hatten so schon genug Probleme mit dem Rollstuhl vorwärts zu kommen und dann will sie auch noch auf mein Schoß. Da sie ohne Prothese rumlief, konnte sie mich nicht weiter schieben und blieb irgendwo im hohen Gras einfach sitzen. "Warte hier, ich komm gleich wieder!" schnaufte ich nach einer längeren Pause. Hüpfend ging ich zum Zeltplatz, zog mir meine Prothese an und lief zurück. Sie saß schon im Rollstuhl und grinste mich an.

Ich schob sie dann zum Zeltplatz und da machte sie auch ihre Prothese dran. Zusammen packten wir die Rollstühle in die beiden Boote, was ganz schön lange dauerte. Ich hatte da echt kein Bock mehr auf irgendwas, aber sie wollte es unbedingt machen, da blieb mir ja nichts anderes übrig. Endlich waren die blöden Dinger in den Booten und wir setzten uns daneben und rauchten eine. "Bist du sicher dass das klappt?" fragte ich sie. "Keine Ahnung! Nachher sind wir schlauer!" sagte sie und schob ihre Oberlippe nach oben. "Hast du Nüsse gegessen?" fragte ich. Sie runzelte mit der Stirn und schob wieder die Oberlippe hoch. "Hast da was in der Zahnspange hängen!" "Oh, echt?" meinte sie darauf und nahm sie raus. "Weg!" grinste ich und sie machte sie wieder rein.

Bevor wir die Boote ins Wasser zogen, zogen wir uns noch schnell unsere Lackschuhe im Zelt an. Sie weiße und ich meine schwarzen. "Wollen wir uns was anziehen?" fragte sie mich und ich so: "Haben wir doch!" Da schielte sie mich über ihre Brille hinweg an und lachte. Zusammen schoben und zogen wir die Boote ins Wasser und stiegen rein. War ganz schön wackelig gewesen, vor allem mit dem Rollstuhl da drin. Ihrer rutschte auch gleich zur Seite als sie reinging und fiel ins Wasser. "Toll!" meckerte sie. Alleine schob sie das Boot wieder raus und holte ihren Rollstuhl. Weil sie es nicht allein hinbekam, half ich ihr. Beim zweiten Versuch rollte mein Rollstuhl ins Wasser. "Musst du mir alles nachmachen?" lachte sie. Ich fand es gar nicht lustig und meckerte sie an.

Hatte dann auch keine Lust mehr dazu und legte mich wieder auf die Decke. Etwas später stand sie traurig neben mir und bat mich es nochmal zu versuchen. Kurz machte ich meine Augen zu und guckte sie über meiner Brille hinweg an. "Dir kann man echt nicht lange Böse sein, weißt du das?" sagte ich und stand wieder auf. Da strahlte sie wieder und wir versuchten es erneut. Zusammen holten wir mein Rollstuhl aus dem See und stellten ihn in mein Boot. Diesmal klappte es und wir paddelten los. Das Boot war ein wenig am schaukeln, aber es klappte wirklich. "Wahnsinn!" lachte ich. Dann lachten wir beide und paddelten in Richtung Hütte.

Was dann kam wollte ich weglassen, aber Mama meinte das es nichts schlimmes ist. Am Strand standen Jan und Lukas am winken und ich wollte den beiden zurück winken. Dabei hob ich das Paddel hoch und winkte. Tja, und dann passierte es. Ich winkte zu heftig und kippte um. Erst blieb ich mit der Prothese am Rollstuhl hängen und dann tauchte ich ab, samt Rollstuhl. Erst auf dem Grund kam ich los und tauchte wieder auf. Da bekam ich auch noch mein Boot ab und meine Brille rutschte runter. Sophie war nur am lachen, statt mir zu helfen. Ich tauchte ab und suchte meine Brille. Mit Brille auf tauchte ich wieder auf und weil sie immer noch am lachen war, schwamm ich einfach davon und verkroch mich in mein Zelt.

Das tat echt weh am Stumpf und am Kopf. Eine Schramme am Arm hatte ich auch noch gehabt. Später beim Essen, fragte mich Mama warum ich einfach weggeschwommen bin. "Ja Scheiße man, das tat voll weh und die blöde Kuh war nur am lachen, statt mir zu helfen!" meckerte ich. "Wie soll sie dir denn helfen, wenn sie selber im Rollstuhl auf dem Boot sitzt?" fragte Mama Claudia. "Das war ihre Idee gewesen, nicht meine!" meckerte ich weiter und stand auf. Beim aufstehen hab ich auch noch ein paar Teller vom Tisch geholt, weil ich mit der Prothese hängen blieb. "Scheiße man! Leckt mich doch alle!" meckerte ich und ging ein paar Schritte weiter weg und verschränkte meine Arme.

Etwas später heulte Sophie auch noch und fragte mich warum ich immer so gemein zu ihr bin. "Bin ich doch gar nicht!" "Wohl!" "Laber nicht!" Da fing sie erst richtig an zu heulen und rannte weg. Auch sie blieb mit ihrer Prothese am Tisch hängen und der Salat fiel runter. Ich musste mir das lachen verkneifen und biss mir dabei voll in die Wange. "Jetz ist aber gut hier, vertragt euch mal wieder!" schnauzte Mama. Ich blieb wie verwurzelt da stehen und starrte Löcher in die Luft. "War ne blöde Idee, sorry!" sagte Sophie mir etwas leise neben mir und halb heulend. "Ja und was für eine!" knurrte ich. "Menno!" heulte sie. Etwas später stampfte sie auf den Boden hinter mir und heulte: "Keiner liebt mich mehr!" und rannte schreiend und heulend davon.

Mama meckerte mich dann richtig an und wollte das ich ihr hinterher laufe. "Wer weiß was sie noch alles macht!" meinte sie noch. Da warf ich meine Hände nach unten und sagte: "Ist ja schon gut man!" und lief ihr hinterher. Irgendwo im hohen Gras lag sie, heulte und rauchte eine. Ich setzte mich neben ihr und guckte sie an. "Du hast da Blut am Bein!" sagte sie etwas traurig und schob sich die Brille hoch. "Hab meine Tage, sorry!" antwortete ich leise und legte ein Arm um sie. "Hast du mich wieder lieb?" fragte sie mich und zitterte dabei mit ihren Lippen. "Hab dich doch immer lieb!" "Wirklich?" "Ach Mensch, komm her!" sagte ich und umarmte sie kräftig. Nach einer weiteren Zigarette mit mir, sind wir wieder zu den anderen und haben gegessen.

Mein Rollstuhl hat Mama später mit einer Seilwinde aus dem See gezogen und meinte: "So, und nun machst du damit kein Blödsinn mehr!" "Bestimmt nicht, war echt albern das ganze!" Mama nickte mit dem Kopf und ich setzte mich in den Rollstuhl und ließ mich von Jan zum Zelt schieben. Hätte zwar auch laufen können, aber mein Stumpf tat mir noch immer weh.

Dies Erlebnis hab ich mit Playmobil nachgestellt

 

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