Nach dem Nordderby

(18.09.2021)
Gestern war ich mit Jan (15) noch in der Stadt gewesen nach der Schule und hab Mama getroffen. Zusammen sind wir noch ein Eis essen gegangen und ich fragte sie erneut, ob ich die Nacht mit zu Jan kann. Wegen Jule, die irgendwie wieder bei uns ist, hatte sie mir am Vortag nicht richtig zugehört und erlaubte es mir danach auch. Mama war es auch ganz recht, weil sie mit Mama Claudia ihren 500 Tag feiern wollte an dem sie verheiratet sind. Lukas (11), meinem Bruder, habe ich Tags zuvor schon mein Geschenk für Mamas gegeben, also gratulierte ich nur und wir verabschiedeten uns.

Bei Jan zuhause war nicht wirklich was los gewesen, also nichts was ich hier aufschreiben könnte. Heute bin ich mit Jan wieder zu mir nach Hause und als ich ankam, feierten Mamas und die anderen noch. Es war aber niemand im Pool oder so, aber draußen hingen nasse Klamotten von allen. Waren wohl gestern noch alle im Pool, egal. Im Wohnzimmer lag reichlich Kuchen auf dem Tisch und wir langten zu. Irgendwann zogen Jan und ich unsere Werder-Klamotten an (lange Sporthose, Trikot, Stutzen, Kapuzenpulli, Turnschuhe und unsere Werder-Friesennerze). Da noch ein Onkel von Mama mitkommen sollte zum Stadion, warteten wir auf meinem Balkon und rauchten noch eine.

Die Zeit drängte und ich wurde immer nervöser, weil wir auch mit der Fähre direkt zum Stadion wollten. Der Onkel kam und kam nicht und ich meckerte immer mehr. Und wenn ich so richtig am meckern bin, kommt auch immer mehr das Plattdeutsche bei mir raus. Die anderen waren schon am lachen. Ich rauchte fast eine nach der anderen und stand kurz davor mit dem Roller loszufahren. Dann kam er endlich und packte uns auch sofort ins Auto und fuhr zur Fähre. Ein bisschen mussten wir noch warten und dann durften wir mit einigen anderen Werder-Fans auf die Fähre und los. Die Fahrt dauerte knapp 90 Minuten und die Fähre hat noch zweimal gehalten um noch andere mitzunehmen. Ich fand die Fahrt richtig geil. Mit anderen Fans sangen wir die Werder-Lieder und tranken Wasser und Cola. Naja, die meisten tranken Bier oder Radler.

Endlich am Stadion angekommen, mussten wir auch gleich ohne Umwege ins Stadion, weil es unsere Karten so sagten. Und wieder stand der Typ am Eingang da, der mich beim ersten mal woanders hinschicken wollte. Diesmal nahm er alles entgegen und ließ uns rein. Das Stadion füllte sich schon und wir nahmen Platz, wo ich immer hin und her schaukelte. "Muss du?" fragte mich der Onkel und ich so: "Die ganze Fahrt schon!" Jan lachte und lief mit mir zu den Toiletten. Dort wartete er bis ich fertig war und dann ging er noch mal auf Pott. Wieder am Platz grölten die Fans um uns herum und ich war mittendrin. Dieses Gefühl in mitten der Fans zu sitzen und alle denken und singen das selbe, einfach unbeschreiblich.

Das Spiel war sehr Abwechslungsreich, von einem Tor das wieder aberkannt wurde, weil einer unserer Spieler zu Blöd war und sich nicht an die Regeln halten konnte, über zwei unnötige Tore für die anderen und zig Torchancen für uns und zwei Platzverweise. Oh man, so ein Spiel hab ich auch noch nicht gesehen. Der Onkel wollte mich immer wieder mal beruhigen, aber ich war mitten im Spiel und hab rechts und links neben mir nichts richtig wahrgenommen. Ein paar mal bekam ich eine kleine Dusche von den anderen ab, aber das störte mich nicht. Passiert halt im Stadion. Also mit guten Sachen da rein, wäre Mord für die Klamotten.

Nach dem Spiel mussten wir wieder sofort zum Anleger und auf die Fähre. Obwohl Bremen das Nordderby verloren hatte, waren die Fans locker und sangen und tranken. Auf der Fahrt zischte es hier und da und der Kapitän meckerte so von wegen Alkoholverbot und so. Das störte uns Fans aber nicht und sangen kräftig weiter und brüllten durcheinander. Mit ein paar hab ich mich noch gestritten, wegen ein paar Dinge die auf dem Feld passiert sind. Will jetzt nicht sagen, das ich mich mit den Regeln auskenne, aber die meisten kenne ich halt.

Bei uns in Vegesack stiegen wir drei aus und warteten auf die nächste Fähre die uns auf die andere Seite bringen sollte. Das machte sie natürlich auch und wir konnten weiter. Das Auto sprang nicht an und ich musste wieder die ganze Zeit. Er meckerte immer und meinte, das ihm wohl wieder jemand das Benzin geklaut hätte. Jan und ich lachten etwas und schlugen vor alleine nach Hause zu laufen. "Das ist doch viel zu weit, nee, ich begleite euch noch ein Stück!" sagte er und machte es auch. Ein Stück war gut gesagt, nach nur einem halben Kilometer verabschiedete er sich und kehrte um.

Jan und ich guckten uns nur fragend an und liefen alleine weiter nach Hause. Unterwegs hampelte ich immer und tanzte umher und sang ein paar Lieder. Jan meinte irgendwann: "Brauchst gar nichts zu vertuschen, ich seh alles!" Von einer auf die andere Sekunde hörte ich auf und blieb verwurzelt stehen. "Ja, du hast in die Hose gepinkelt!" lachte er. Mir war es etwas peinlich, aber im dunkeln, so dachte ich, sieht man das nicht. "Schitte!" sagte ich nur und lachte leicht. "Dann kann ich ja jetzt weiter machen!" schob ich noch hinterher und ließ es einfach nur laufen. Ich schloss auch meine Augen dabei und freute mich, etwas warmes an meinen Beinen zu haben. Dummerweise lief der Urin auch in meine Beinprothese und mein Stumpf wurde noch wärmer als er eh schon war.

An der Brücke angekommen, wo ich schon manchmal durch den Fluss nach Hause bin, stellte er sich in die Büsche und pinkelte. Ich machte wieder in die Hose und machte mir genüsslich eine Zigarette an. Dann rief Mama mich an und fragte wo wir bleiben. Es war schon nach ein Uhr und sie hörte das der Onkel uns alleine gelassen hatte. Ich sagte ihr kurz wo wir sind und fragte auch gleich, ob wir durch den Fluss nach Hause dürfen. "Ist doch viel zu kalt jetzt, ich hol euch da ab!" sagte sie. Genau in dem Moment kam Jan ins straucheln und wankte nach vorne. Ich lachte voll und ging zu ihm. Mama brüllte ins Handy und wollte wissen was los ist.

Jan stolperte immer weiter die Böschung runter und stand mitten im Fluss und lachte laut. Das erzählte ich Mama auch und sie so: "Ja dann beeilt euch aber!" Hatte zwar nichts gefragt, aber ich nahm es als Erlaubnis an, das wir durch den Fluss nach Hause durften. Ohne zu zögern ging ich zu ihm ins Wasser und dachte nur: "Scheiße ist das kalt!" Er hatte auch ein paar Bier getrunken und konnte nicht mehr so richtig stehen. Ich hatte nur ein kleinen Feigling und zwei Radler intus. Zusammen liefen wir durch den Fluss und zum Teil mussten wir auch schwimmen.

Mein kleiner Rucksack wurde auch ganz schön nass. Am Anleger zuhause angekommen, lachte Mama als sie uns ankommen sah und trieb uns, damit wir schneller werden. Lachend sind wir auch raus und durften im Whirlpool draußen uns aufwärmen. Da hatte Mama uns schon vor ein paar Stunden das Wasser heiß gemacht, weil sie wusste das wir uns aufwärmen müssen. Während wir beide so da drin lagen, nahm Mama mir den Rucksack ab und gab uns beiden je eine Zigarette. "Ihr seid mir schon so welche!" lachte sie und streichelte uns über den Kopf. Als ich ihr erzählte das ich Urin in meiner Prothese hatte, konnte sie nicht mehr vor lachen.

Ich wollte dann noch unbedingt kurz schwimmen gehen im Pool, aber das durfte ich nicht, weil wir auch nur wenige Stunden später schon zur Kirche fahren wollten. Nach der Zigarette schickte Mama uns gleich ins Bad und danach ins Bett. Fast viertel nach zwei lagen wir drin und pennten auch sofort Arm in Arm ein.

Weiter im nächsten Erlebnis.

 

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