Nachts mit Lukas im Fluss

(15./16.09.2021)
Der Tag verlief ruhig und friedlich. Am Nachmittag machte ich meine Hausaufgaben und schrieb mein letztes Erlebnis im Whirlpool auf. Bis zum ins Bett gehen passierte nicht wirklich mehr etwas und wir gingen alle schon früh ins Bett. Erst konnte ich auch gut pennen, aber ein paar Stunden später lag ich eher wach im Bett und drehte mich ständig rum. Irgendwann pennte ich wohl wieder ein und wurde durch ein Geräusch in meinem Zimmer wieder wach. Naja, jedenfalls dachte ich das es aus meinem Zimmer kam. "War bestimmt wieder meine Katze!" dachte ich und drehte mich wieder um.

Dann hörte ich es wieder und ich rief meine Katze. "Mau!" machte es an meinem Fußende. "Süß!" sagte ich erst und horchte ob ich noch was höre. Da war es wieder, es kam aus meiner Sofaecke. "Mist!" sagte da plötzlich jemand. "Was das denn?" fragte ich flüsternd und krabbelte aus dem Bett. Mit mein Gehstützen ging ich weiter in mein Zimmer und zur Sofaecke. Da war niemand. Langsam wurde es mir unheimlich und ich wollte das Licht anmachen. "Ach Scheiße man!" hörte ich durch das gekippte Fenster.

"Lukas?" rief ich leise, weil es war seine Stimme. "Och nee Ey!" sagte er. So schnell ich konnte ging ich auf mein Balkon und um die Ecke. Da hing Lukas (11) am Gerüst und stützte sich mit einer Hand am Boden ab. "Was machst du hier?" flüsterte ich. "Scheiße!" sagte er nur und: "Helf mir mal!" Er hing mit seinem Gummistiefel am Gerüst fest und kam nicht los. Ich lachte leise und fragte ihn nochmal, was er da macht. Er hatte auch noch seine dicke Steppjacke an und sein Fahrradhelm auf. Sah echt zum Schreien aus.

Er: "Hab versucht auf dein Balkon zu kommen!" Ich: "Und wieso?" Er: "Wollt mit der Leiter runter!" Ich: "Mit welcher Leiter? Und dann?" Er: "Ist doch egal jetzt, helf mir mal!" Ich legte meine Gehstützen beiseite und half ihm. Er hatte sich wirklich aus seinem Fenster gehangelt und dann mit seinen Gummistiefel im Gerüst von meinem Balkon verfangen und dabei halb sein Fuß gedreht. Ich versuchte sein Fuß zu drehen und er tat wehleidig. "Was soll ich denn sonst machen?" lachte ich kurz. "Meine Brust tut weh!" keuchte er. Ich lachte wieder kurz und dann haben wir es endlich geschafft und er war frei.

Mit Schwung übers Geländer kam er auf mein Balkon und gab mir ein dicken Kuss auf dem Mund. "Danke!" sagte er da noch. Ich nahm meine Gehstützen wieder in die Hände und wackelte mit meinem Stumpf hin und her. Im dunkeln holte er eine Strickleiter aus der Ecke und zeigte sie mir. "Was hast damit jetzt vor? Wo willst du jetzt noch hin?" fragte ich, weil wir hatten es schon nach ein Uhr. Er erzählte mir dann, das er in den Fluss will zum schwimmen und das er sich nicht traut über die quietschende Treppe nach unten zu gehen. Ich schüttelte nur den Kopf und fragte ihn ob er blöd ist.

Kurz stritten wir uns und dann wollte er auch noch das ich mitkomme. "Jetzt, mitten in der Nacht? Geh wieder in dein Zimmer man!" sagte ich darauf und er so: "Bitte Laura! Für mich!" und guckte mich halb verliebt an. "Ich muss bescheuert sein!" sagte ich und ging zurück in mein Zimmer. Er kam mir gleich hinterher und fragte was ich jetzt mache. "Warte, ich zieh mich an!" sagte ich leise und machte es auch. Über mein Pyjama zog ich mir schnell meine Beinprothese an und zog mir meine silbergraue Steppjacke drüber. Schnell noch meine Turnschuhe an und dann standen wir beide in meinem Zimmer. "An der Strickleiter komm ich aber nicht runter!" flüsterte ich und lachte etwas dabei.

Er: "Ich helf dir!" Ich: "Aber mit Gummistiefeln geht das doch nicht, oder?" Er: "Klar, hab ich schon öfters mal gemacht!" Trotz einiger Fragen in meinem Kopf ging ich mit ihm raus. Er band die Leiter am Geländer fest und ging rüber. Ich machte das selbe und er hielt mich fest. Langsam und mit etwas lachen sind wir Stufe für Stufe runter. Es war ganz schön wackelig und ich hatte Angst das ich wieder abrutsche und evtl. noch mein zweites Bein verliere. Er hielt mich immer ganz fest und passte auf, das ich auch mit mein Prothesenbein auf den Stufen lande und nicht abrutsche.

Unten fragte ich ihn, ob er das mit Sophie schon mal gemacht hatte. "Nee, wieso?" fragte er mich etwas komisch und ging in Richtung Fluss. "Du willst da jetzt nicht wirklich rein, oder?" Er: "Doch, da ist was versteckt!" Ich: "Hat das nicht Zeit bis morgen?" Er: "Haben wir schon!" Ich verzog da nur mein Mund und schoss meine Augenbrauen nach oben und schielte leicht. "Der hat doch echt ein Knall!" dachte ich nur und folgte ihm. Ohne lange zu zögern ging er in den Fluss und schwamm drauf los. Mit Jeanshose, Gummistiefel und seiner dicken blauen Steppjacke und dem blöden Helm auf.

Ein paar Sekunden später kam er zurück und fragte mich ob ich mein Handy dabei hab. Da lachte ich kurz und fragte ihn, warum er nicht selber dran gedacht hat. "Muss ich verloren haben wo ich zu dir rüber bin!" gab er mir zu verstehen und kam kurz aus dem Wasser. Meins hatte ich natürlich dabei und gab es ihm. "Du bist ein Schatz!" sagte er nur und ging wieder in den Fluss. Einige Meter weiter sah ich mein Handy leuchten. Irgendwas schien er da zu suchen. "Bong!" machte es etwas lauter, weil er ein Ast auf den Helm bekommen hatte. Ich grinste nur und wusste nun auch warum er den aufhatte.

Ich setzte mich auf die Bank, rauchte eine und schaute ihm beim suchen zu. Er ging da immer am Rand entlang und leuchtete mit meinem Handy alles ab. "Menno, wo ist das Scheiß Ding denn?" meckerte er vor sich hin. Etwas später sagte er etwas lauter: "Scheiße, auch das noch!" Mein Handy verschwand unter Wasser und er wackelte da voll rum. Am Rand vom Fluss ging ich da zu ihm hin und fragte was los ist. "Ich häng fest!" lachte er. Ich: "Wo?" Er: "Keine Ahnung!" und bückte sich. Bis zum Kinn im Wasser machte er irgendwas und meinte dann so: "Bin mit dem Stiefel in einer Wurzel!" Ich: "Ja, dann zieh ihn raus!" Er: "Geht nicht!" Ich knurrte: "Muss ich jetzt echt mit rein kommen? Zieh dein Stiefel doch aus!" Das versuchte er auch, aber schaffte es nicht.

"Du bist doch echt zu blöd, oder!?!" fragte ich. Er bückte sich wieder und versuchte es erneut. Sah schon geil aus wie er mit seiner Steppjacke im Mondlicht im Wasser stand. "Warum ziehst auch Gummistiefel an?" lachte ich. Er: "Menno, lass mich doch!" Ich: "Kann auch wieder gehen!" "Er: "Nein, warte! Bitte!" Ich: "Hol wenigstens mein Handy rauf!" Weil das leuchtete unter Wasser auf dem Grund. Bei dem Versuch das Handy rauf zu holen, kippte er nach hinten weg und plantschte ordentlich im Wasser rum. Da konnte ich ja nicht anders und bin rein. Hinter ihm stehend, half ich ihm wieder zum stehen zu kommen. "Was suchst du überhaupt?" wollte ich da dann wissen, aber das verriet er mir nicht.

"Ah, endlich!" sagte er und war wieder frei. Ich stand bis zum Bauchnabel im Wasser und verlangte das er mein Handy rauf holt. Das Wasser war ganz schön kalt in meiner Pyjamahose und ich wollte wieder raus. "Hast doch ne Jacke an!" sagte er als ich raus ging. "Ja, sehr witzig, wollt ich morgen zur Schule anziehn!" Meine Zigaretten waren auch noch drin und ein paar wichtige Zettel. Zum Glück waren die Zigaretten noch zu gebrauchen. Wusste ja nicht, das ich so schnell zu ihm ins Wasser muss. Eigentlich wollte ich ja gar nicht mit rein. Er suchte noch weiter und fand eine kleine Blechbox. Die steckte er sich in seine Jackentasche und kam raus.

Er zitterte voll, aber wollte trotzdem mit mir noch schnell eine rauchen. Beim rauchen erzählte er mir, das der Nachbarsjunge ihm immer was versteckt, was er suchen muss. Diesmal halt eben im Fluss. Aber warum er es mitten in der Nacht machen musste, sagte er mir nicht. Nur, das er es mit zur Schule bringen soll. Ich fragte auch nicht weiter nach und wollte wieder ins Bett. Wir sind dann auch wieder zur Strickleiter und er suchte wieder was. "Was suchst denn jetzt noch?" fragte ich leise. "Mein Handy!" Das fand er auch genau unter seinem Zimmer im hohen Gras und steckte es ein. Meins hatte er mir ja schon am Fluss wieder gegeben.

"Dann können wir ja endlich wieder rauf!" sagte ich und ging zur Strickleiter. Rauf ging es sehr viel besser als runter. Auf meinem Balkon zog er sich seine Jacke aus und kippte seine Gummistiefel aus. Ich hab mich schnell in meinem Zimmer umgezogen und stand danach mit frischen Pyjama an der Balkontür. "Kann ich die Sachen hier liegen lassen?" fragte er mich zitternd. "Lass liegen!" sagte ich nur und er verschwand leise in sein Zimmer. Ich legte seine und meine nassen Sachen noch schnell übers Geländer und verschwand wieder in meinem Bett und pennte.

Beim Frühstück am nächsten morgen, guckte uns Mama ganz schief an. Hatte sie doch etwas  davon mitbekommen? überlegte ich und nahm mir ein zweites Brötchen. "War es wenigstens schön im Fluss?" fragte Mama uns, als Sophie in ihrem Zimmer verschwunden war. Mit dem Brötchen im Mund guckte ich erst Lukas an und dann Mama. "Ja! Ich weiß das wohl!" sagte sie etwas genervt. Lukas schluckte kräftig und bevor er was sagen konnte, sagte Mama: "Wir haben nicht umsonst ein Alarm!" "Ach du Scheiße!" sagte ich ganz leise in mein Brötchen, aber Mama verstand es trotzdem. "Ja, ach du Scheiße! Was denkt ihr euch dabei?" meckerte sie. Lukas und ich neigten den Kopf und sagten, das nichts passiert sei und dann sagte ich noch, das es seine Idee war, weil er da was gesucht hatte.

Das Interessierte sie aber nicht und verlangte von uns, das wir ihr die Strickleiter geben. Die holte Lukas auch sofort und etwas später meinte Mama noch, das es besser wäre, wenn er mit Tim die Zimmer tauscht. Egal was wir darauf auch sagten, Mama blieb dabei. Ist vielleicht auch besser so, wer weiß? Er ist schön öfters mal mit der Strickleiter an seinem Fenster runter, aber da musste er immer am Fenster von Mamas Büro runter. Jetzt wo ich ein Balkon habe, dachte er das es da besser wäre runter zu kommen. Lukas hatte noch Ärger bekommen, weil er mit seinem neuen Strickpulli im Fluss war. Meine Steppjacke war ja nur untenrum nass geworden und konnte sie wieder zur Schule anziehen.

 

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