Sehr kurzer Besuch von Jan

(08.04.2022)
Er kam und ging gleich wieder. Reicht das? Nein? Na gut! Hab mich die ganze Woche schon auf Jan gefreut und hab auch mein Zimmer aufgeräumt und so einiges an Sachen weggeschmissen bzw. für Kinder aus der Ukraine gespendet. Ich wartete auf ihn in meinem Zimmer und konnte es kaum abwarten ihn zu sehen. Ohne klopfen kam er auch rein, guckte mich an, legte mir den Verlobungsring auf den Schreibtisch und sagte: "Ich mach Schluss mit dir, tschüss!" und ging einfach wieder.

Ich bekam voll die großen Augen und dachte das es ein Scherz sein soll. "Hey, wat soll dat denn? Jan!" rief ich ihm hinterher. Konnte nicht so schnell aufstehen, weil ich meine Beinprothese nicht anhatte und meine Gehstützen weiter weg waren. Ich hüpfte auf ein Bein hinter ihm her, aber es war zu spät. Er verschwand vorne aus der Haustür und weg war er wieder. Mit offenem Mund stand ich oben am Treppengeländer und wackelte mit meinem Stumpf. Ich konnte es einfach nicht fassen, was er gemacht hatte und schrie ihn ganz laut.

Mama hörte das natürlich und kam gleich daher. "Was schreist du denn hier so laut?" fragte sie mich. "Jan!" sagte ich nur. Mama: "Ja, der ist grad gekommen!" Ich: "Ja, und wieder weg!" Mama: "Wie weg?" Ich: "Er hat Schluss gemacht mit mir und weg!" Mama: "Glaub ich nicht!" Ich: "Doch, er hat den Ring hier gelassen!" Und dann brach ich zusammen und knallte zu Boden. Mit dicken Tränen in den Augen sagte ich nur: "JAN!" Mama rannte gleich raus und versuchte ihn noch zu erreichen, aber er war wirklich weg. Er soll ganz normal hinten durch den Wintergarten rein gekommen sein und nach mir gefragt haben. Ich kann noch immer nicht glauben.

Was dann noch so alles passierte, schreib ich hier jetzt nicht, aber das was danach noch war. Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, sammelte ich seine Sachen zusammen und dachte lange nach. Da macht er einfach Schluss mit mir und verschwindet wieder. Hatte ja noch versucht ihn anzurufen, aber er hat mich gesperrt. Dann fiel mir ein, das ich sein Anzug noch im Schrank hängen hatte und zog ihn mir an. Etwas zu groß für mich aber egal. Völlig traurig stieg ich mit dem Anzug in die Badewanne und ließ das Wasser laufen. Auch seine Schuhe hab ich mir angezogen gehabt.

Irgendwann kam Mama Claudia rein und sah mich da so liegen. Ich wischte mir schnell die Tränen weg und guckte sie an. "Soll ich ihn mal anrufen?" fragte sie mich. Ich bekam nichts raus und nickte nur mit dem Kopf. Sie machte es auch und er ging ran. "JAN!" schrie ich laut. Sie ging raus und unterhielt sich länger mit ihm. Nach etwa einer halben Stunde kam sie wieder rein und hielt mir das Smartphone hin. Ich schnappte es mir sofort und hielt es an mein Ohr. "Jan, was machst du?" heulte ich.

Er behauptete einfach, das ich mit einem anderen aus meiner Klasse rumgemacht hatte und das er kein Bock mehr auf mich hätte deswegen. Kerzengerade saß ich in der Wanne und guckte Claudia fragend an. "Wie bitte, was soll ich?" fragte ich ihn. Was genau wir weiter alles gesprochen hatten, schreibe ich hier jetzt nicht. Sein Freund, Melos Bruder, hatte ihm erzählt, das ich ein anderen Jungen kräftig umarmt hatte, was ja auch stimmte, aber rumgemacht hab ich mit dem ganz bestimmt nicht. Der Junge ist einer der wenigen, der aus der Ukraine kommt und Deutsch kann. Er erzählte uns in einer Pause, vor den Ferien, wie er nach Deutschland kam und was da so alles gewesen ist in seinem Land. Als er Anfing zu heulen und ich gerade neben ihm saß, habe ich ihn in den Arm genommen und versucht ihn zu trösten.

Santino hat es wohl irgendwie gesehen und gedacht, das ich was mit ihm habe, was ja nicht stimmt. "Wieso redest du nicht mit mir, wenn sowas ist?" meckerte ich Jan an. Wir redeten noch länger und Claudia ging raus. Als ich Jan später erzählte, das ich die ganze Zeit mit seinem Anzug in der Wanne sitze, lachte er laut los und sagte: "Warte, das will ich sehen!" und legte auf. Ich guckte mir das Smartphone an und sagte: "Hä?" Claudia wartete wohl draußen im Vorraum vom Treppenhaus und klopfte leise an. "Alles gut bei dir Laura?" fragte sie und machte die Tür langsam auf. Ich saß noch immer Kerzengrade in der Wanne und guckte sie an. "Er will mich hier so sehen?" fragte ich.

Ihre Augen wurden richtig groß und die Stirn runzelte. "Er will dich hier so sehen? Ist er noch hier?" fragte sie. Ich: "Hat er grad gesagt!" Dann stand Jan plötzlich hinter ihr und Claudia drehte sich um. "JAN!" schrie ich halb und zitterte voll. Nicht nur weil das Wasser kalt war, sondern weil ich mein Schatzi gesehen hab. "Was machst du Blödi?" versuchte ich zu sagen. Jan: "Stimmt das was du mir gesagt hast eben?" Ich: "JA!" und heulte drauf los. Jan: "Wirklich?" Claudia: "Das kannst du ihr glauben, das hat sie uns schon letzte Woche erzählt!" Ich guckte ihn nur sehr verliebt an und nickte mit dem Kopf. "Siehst scharf aus in mein Anzug!" grinste er und stieg zu mir in die Wanne. Er trug Jeanshose, Turnschuhe, Oberhemd, Pulli und seine Jeansjacke.

Ich guckte ihn mit hochgeschobenen Augenbrauen genau an und versuchte zu grinsen. Er hatte auch noch sein Rucksack auf, in dem er die Sachen zum Pennen drin hatte. "Und jetzt?" fragte ich leicht heulend. Jan: "Jetzt hörst du auf zu heulen, bin ja da!" Ich: "Bleibst du auch?" und zeigte meine Zahnspange oben im Mund. "Fress dich gleich auf du!" sagte er und legte sich auf mich drauf. Claudia stand da noch und lachte. "Na dann lass ich euch mal alleine!" sagte sie und verschwand. Vorher gab sie mir aber noch ein Taschentuch. Ich machte meine Nase leer und wischte mir die letzten Tränen weg. Mehrere Sekunden guckte er mir tief in die Augen und sagte: "Ich sehe nur mich da drin!" Ich: "Wen denn sonst?" und atmete schwer, weil mir die Narbe weh tat.

Als ich ihm das sagte, schreckte er voll zusammen. "Ach du Scheiße, stimmt ja!" sagte er und ging von mir runter. Ich schnaufte noch etwas und sagte: "Bin fertig, lass uns raus hier!" Er guckte mich nur komisch an und sah mir zu wie ich mich langsam auszog. Er half mir noch dabei und als ich neben der Wanne stand, ohne Beinprothese, guckte er sich meine Narbe an. "Scheiße ist die lang, tut´s noch weh?" sagte er und guckte mich leicht erschrocken an. "Geht so, kommst du?" fragte ich. "Ja, warte!" sagte er und zog sich die Jacke aus. "Ach Scheiße man, mein Rucksack, wieso sagst du nichts?" Ich grinste ihn nur an und sah ihm beim ausziehen zu. Den Rucksack hatte er schnell neben die Wanne gestellt.

Während er sich auszog, ließ er das Wasser raus. Zusammen sind wir danach in mein Zimmer und er legte sofort den Ring wieder an und umarmte mich. "Erst anziehen!" grinste ich. "Stimmt, das sollten wir!" lachte er leicht. Wir zogen uns dann auch frische Sachen an und setzten uns aufs Bett. Er hatte noch Sachen von sich in meinem Kleiderschrank gehabt. Da hielt ich es einfach nicht mehr aus und küsste ihn. Langsam legten wir uns hin und knutschten uns ab. Irgendwann sagte ich so zu ihm: "Das nächste mal fragst du mich gleich, ob das stimmt was dir wer auch immer erzählt!" Er: "Jawohl Chefin!" und lachte. "Blödi!" sagte ich darauf und kitzelte ihn durch. Keine gute Idee gewesen, weil meine Narbe gleich wieder weh tat. Hörte auch schnell auf und versuchte ihn zu küssen.

Etwas später fragte er mich: "Hat Lukas wirklich deine Gummistiefel abgeleckt?" Aua, da tat gleich wieder die Narbe weh, weil ich lachen musste. "Man, hör auf, meine Narbe!" erinnerte ich ihn. Er: "Ach ja, Sorry!" Joa, und viel mehr ist dann auch nicht mehr gewesen. Es gab was zu Essen, wir hörten neue Hörspiele und redeten über dieses und jenes und auch noch mal über das Thema, weswegen er ja Schluss machen wollte. Er wollte es auch nicht wirklich machen, aber er war einfach nur sauer, weil ich den Jungen umarmt hatte. Seine Taschen hatte er noch unten bei den Fahrrädern, wo er sich vor Mama versteckt hatte, als sie nach ihm suchte. Ich sage nur: "Ende gut, alles gut! Wir bleiben zusammen und das für immer!"

Die Sache mit dem Jungen war schon länger her, aber Santino hatte es ihm erst letzte Woche erzählt, weil ich mich immer mit dem Jungen unterhalte. Bin nur befreundet mit ihm, mehr ist da nicht. Er ist nun mal in meiner Klasse jetzt, da kann ich ja nichts für.

 

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